Sprechfunkchatbot für autonome See- und Binnenschiffe
Motivation
Autonomie und autonomes Fahren sind ein aktuelles Forschungsthema in vielen Bereichen. Im Fokus stehen dabei vor allem Kraftfahrzeuge im Straßenverkehr oder Schienenfahrzeuge im Personennahverkehr. Dabei haben die Autonomie und die Automatisierung gerade im Bereich der Binnen- und Seeschifffahrt großes Potential und lassen sich wahrscheinlich auch einfacher realisieren als Autonomie im Straßenverkehr. In der Schifffahrt gibt es seit langem eine Vielzahl von Unterstützungssystemen, wie z. B. Autopiloten, Routenempfehlungen, kooperativer Nachrichtenaustausch zwischen allen relevanten Schiffen und digitalen Funk, den alle Verkehrsteilnehmer empfangen. Zudem arbeiten die Systeme mit einem einheitlichen BUS-Standard NMEA 2000 oder 0183, wodurch eine hohe Kompatibilität zwischen den Geräten gewährleistet ist. Das Ziel der Projektgruppe ist neben der Einarbeitung in den Stand der Forschung im Bereich der autonomen Schifffahrt die prototypische Entwicklung und Realisierung einer Komponente eines Automatisierungssystems für die Schifffahrt. Da die Automatisierung der Fahrzeugregelung bereits fortgeschritten ist, wird sich diese PG dem Thema der autonomen Schiff-Schiff-Kommunikation widmen. Die Kommunikation erfolgt hauptsächlich natürlichsprachlich; wird allerdings durch feste Schemata der Nachrichten und durch digitale Zusätze (digitaler Selektivruf (DSC) und ATIS-Kennung/AIS) ergänzt. Dies wird aufgrund der langen Zeiten für die Standardisierung auf lange Sicht so bleiben. Das Problem wird in der Machbarkeitsstudie des DST aus 2018 gut zusammengefasst:
„3.1.4 Kommunikation (Schiff – Schiff) Die Kommunikation zwischen den Binnenschiffen ist ein wichtiger Aspekt bei der Schiffsführung. Es muss davon ausgegangen werden, dass noch für lange Zeit autonome Schiffe mit von Menschen gesteuerten Schiffen kommunizieren müssen. Dazu können Sprachverarbeitungssysteme verwendet werden, die auf die wesentliche, notwendige Kommunikation trainiert werden können. Diese automatischen Sprachsysteme hätten den Vorteil, dass sie mehrsprachig kommunizieren können. Damit könnten auch die heute zu beobachteten Kommunikationsprobleme gelöst werden, die aufgrund unzureichender Sprachkenntnisse entstehen. In der Erprobungsphase kann zunächst aber auch der die Testfahrten durchführende Schiffsführer die Kommunikation mit anderen Schiffen übernehmen und die Antworten über ein Terminal kodiert in das autonome Steuerungssystem eingeben. Alternativ könnten auch schriftliche Kommunikationssysteme für die Binnenschifffahrt entwickelt werden, die dann von allen Schiffen verwendet werden müssten. Wenngleich dies technisch relativ einfach umzusetzen wäre, erscheint der dazu erforderliche Standardisierungsprozess und die vollständige Einführung aus allen Schiffen aufwendiger als die Weiterentwicklung KI-basierter Sprachsysteme, die heute schon einen beachtlichen Entwicklungsstand erreicht haben (z. B. Google Duplex 16).“
Im Rahmen der PG werden auch Kenntnisse und die nötigen Verfahren des UKW-Funks für die Schifffahrt vermittelt, sodass bei Interesse die Prüfungen für den SRC (Short Range Certificate) und UBI-Funkschein absolviert werden können. Zudem sind Feldexperimente und Exkursionen zu realen Binnenschiffen und Schleusen geplant.
Aufgabenstellung
Das Ziel der PG ist die Entwicklung eines Prototyps eines autonomen agierenden Sprechfunkgeräts, das mit menschlichen Verkehrsteilnehmern und Schleusen natürlichsprachlich kommunizieren kann. Dazu muss eine Schnittstelle zu einem Funkgerät abgegriffen und dessen Protokoll analysiert werden (Reverse Engineering). Mögliche Schnittstellen sind sowohl der direkte Zugriff mittels eines Hardware-Adapters oder die Nutzung einer Webschnittstelle. Dabei sind die Nachrichten zu typisieren, der Adressat zu bestimmen und ggf. den digitalen AIS-Daten zuzuordnen sowie eine semantische situationsbezogene Analyse des Inhaltes durchzuführen. Für die Typisierung werden vorhandene Sprechfunkschemata verwendet. Als Beispiel kann hier die Anfrage an eine Schleuse zur Schleusung dienen, die die Anfrage annehmen, ablehnen oder eine Rangordnung zuweisen kann. Der Kontext und die Antworten ergeben sich aus dem Schiffszustand (Kurs, Geschwindigkeit, Position und Status). Dazu muss das Verhalten geplant und modelliert werden z.B. mit Hilfe von Verhaltensbäumen.
Zur Validierung der entwickelten Lösung ist es geplant, Feldexperimente an einer Schleuse durchzuführen.
Nach dem Erreichen der Minimalziele (s.u.) sind viele Erweiterungen und Einbindungen in die Schiffstechnik möglich. So kann positions- und zustandsabhängig entschieden werden, ob eine Notmeldung bestätigt oder weitergeleitet wird und die extrahierte Position der in Not befindlichen Person an einen Autopiloten weitergegeben werden. Diese Erweiterungen bieten eine hervorragende Basis für nachfolgende Abschlussarbeiten.
Minimalziele
- Aufbau eines Prototyps der den folgenden Funktionsumfang realisiert:
- Aufbau einer bidirektionalen Verbindung zwischen Funkgerät und Rechner: Toneingabe und -ausgabe, Kanalwahl, Einstellung Sendeleistung
- Senden der folgenden Nachrichten: Eigener Notverkehr (Eigenes Schiff), Notverkehr Bestätigen, Notverkehr Weiterleiten, Notverkehr Funkstille, Notverkehr Funkstille Eingeschränkt Beenden, Notverkehr Funkstille Beenden, Dringlichkeitsmeldung im Notverkehr, Dringlichkeitsmeldung im Notverkehr, Dringlichkeitsverkehr zurückziehen, Sicherheitsmeldung, Sicherheitsmeldung zurückziehen, Routineruf (Schleuse anfragen)
- Empfangen von Nachrichten: Typ erkennen, Ankündigung, Adressat, Absender, Meldung und Ende erkennen und in Textform ausgeben
- Empfang und Interpretation einer Routineantwort der Schleuse: Einfahren ja/nein, große/kleine Kammer
- Erstellung des Endberichts & Fachgespräch



